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Bundestag beschließt Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen

Der Bundestag hat in seiner Sitzung am heutigen Donnerstag die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen beschlossen. Der Entscheidung vorausgegangen waren monatelange Verhandlungen zwischen dem Bund und den 16 Bundesländern. Nach der heutigen Beschlussfassung im Bundestag steht noch die Zustimmung der Länderkammer, des Bundesrates, voraussichtlich in seiner Sitzung am morgigen Freitag aus.

Bereits Mitte Mai hatten sich die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD auf die Entscheidung verständigt. Kern dieser Änderungen ist die Stärkung der Stellung des Bundestages. Grundlage war ein von der Bundesregierung vorgelegtes Gesetzespaket, auf das diese sich zuvor mit den Ländern geeinigt hatte.

Der Zwickauer CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Körber begrüßt die Einigung: „Es ist uns gelungen, die Bund-Länder-Finanzbeziehungen auf ein vollkommen neues Fundament zu stellen. Die befristete Regelung des Solidarpaktes II läuft 2019 aus. Zudem greift dann in den Ländern einheitlich die Schuldenbremse. Jetzt haben wir die Strukturen geschaffen, um die Finanzbeziehung in unserem föderalen System zukunftssicher zu machen. Dieses Gesetzespaket ist einer der Meilensteine der laufenden Wahlperiode. Auch Sachsen wird von den nun getroffenen Vereinbarungen ab 2020 deutlich profitieren. Von daher bin ich als Mitglied des hier federführenden Haushaltsausschusses auf dieses Ergebnis stolz.“

Durch die Neuregelung erhält der Freistaat ab 2020 im Jahr 768 Millionen Euro an zusätzlichen Bundesmitteln. Das entspricht einer Pro-Kopf-Summe von 189 Euro.

Kern der Neuregelung ist, dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder künftig über eine Verteilung des Länderanteils an der Umsatzsteuer ausgeglichen wird, nicht mehr wie bisher durch einen horizontalen Ausgleich untereinander. Der Bund wird sich an diesem Ausgleich zudem mit einem jährlichen Zuschuss beteiligen, der 2020 rund 9,7 Milliarden Euro betragen wird. Als Kompensation dafür werden die Länder strukturelle Steuerungs- und Prüfkompetenzen an den Bund übertragen.

Es wurde zudem die Grundlage dafür geschaffen, dass der Bund finanzschwachen Kommunen Mittel für Schulen zur Verfügung stellt. Dafür wird der Kommunalinvestitionsförderungsfonds um weitere 3,5 Milliarden Euro verstärkt. So ermöglichen wir notwendige Investitionen in die Bildung unserer Kinder und damit in die Zukunft unseres Landes. Die Kernkompetenz der Länder für die Bildung bleibt durch diese zusätzliche Mittelzuweisung unberührt.

Carsten Körber erklärt weiter: „Bei einer derart komplexen Materie liegt es in der Natur der Sache, dass das verhandelte Ergebnis immer ein Kompromiss ist. Es galt, die berechtigten Interessen von 16 unterschiedlichen Bundesländern, der Bundesregierung und auch des Bundestages miteinander auszugleichen. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich das Ergebnis sehen lassen kann. Aber schon der alte Bismarck wusste, Politik ist die Kunst des Möglichen. Es ist klar, dass sich nicht jeder in allen Punkten durchsetzen konnte.“

Aus gesamtstaatlicher Sicht ist die jetzt beschlossene Neuregelung ein wichtiger und entscheidender Schritt. Vor allem bei der Steuerverwaltung, Kontroll- und Weisungsrechten des Bundes und der Digitalisierung konnten wir wichtige Fortschritte erzielt. Der daraus folgende Bürokratieabbau und eine Vereinfachung von Entscheidungsprozessen werden dazu beitragen, Deutschland weiter fit für die Zukunft zu machen.

Zum weiteren Inhalt

Das Paket beinhaltet sowohl eine Reihe von Grundgesetzänderungen als auch viele in einem Begleitgesetz zusammengefasste einfachgesetzliche Regelungen. Es geht zurück auf eine grundsätzliche Einigung der Ministerpräsidenten der Länder mit der Bundeskanzlerin unter Beteiligung von Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble und Bundesminister Peter Altmaier am 14. Oktober 2016.

Dabei kam der Bund den Ländern im Rahmen der sog. A-Liste, in der die Bund-Länder- Finanzbeziehungen und der Länderfinanzausgleich im engeren Sinne geregelt wurden, finanziell weit entgegen. Im Gegenzug haben sich die Länder im Rahmen der sog. B-Liste zu strukturellen, kompetenzrechtlichen Verbesserungen im Bund-Länder-Geflecht zu Gunsten des Bundes bereit erklärt.

Der Handlungsdruck für die Reform war groß. Zum einen endet 2019 der Solidarpakt II, aus dem die ostdeutschen Länder und Berlin Geld für teilungsbedinge Sonderlasten erhalten. Zum anderen dürfen die Bundesländer nach der verfassungsrechtlichen Schuldenregel ab 2020 keine neuen Schulden mehr aufnehmen.

Deshalb wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, die Bund- Länder-Finanzbeziehungen in dieser Legislaturperiode neu zu ordnen und damit frühzeitig für Planungs- und Rechtssicherheit zu sorgen. Wir sind froh, dass wir dieses wichtige Projekt der Großen Koalition nun im Bundestag abschließen können.

Kern der sog. A-Liste ist, dass der Länderfinanzausgleich in seiner jetzigen Form abgeschafft wird. Zukünftig wird der Finanzkraftausgleich zwischen den Ländern vor allem nach Maßgabe der Einwohnerzahl mit zusätzlichem Ausgleich der Finanzkraftunterschiede über die Umsatzsteuer geregelt.

Neu eingeführt werden Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen zum Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft und zum Ausgleich unterschiedlich hoher Forschungsförderung. Zur besonderen Entlastung des Saarlands und der Freien Hansestadt Bremen kann der Bund künftig Sanierungshilfen gewähren. Alles in allem zahlt der Bund ab 2020 jährlich knapp 10 Mrd. Euro in das Ausgleichssystem. Dieser Betrag nimmt in den Folgejahren zu.

Diesen grundsätzlichen finanziellen Kompromiss zwischen Bund und Ländern haben wir während der Beratungen im Bundestag nicht in Frage gestellt. Ergänzen werden wir aber ein „Kündigungsrecht“ für den Bundestag, so dass ab 2030 nicht nur die Bundesregierung oder mindestens drei Länder Neuverhandlungen zu einer Reform der Bund-Länder-Finanzen anstoßen könnten, sondern auch der Deutsche Bundestag. Zudem wollen wir, dass die Bundesregierung uns künftig regelmäßig über die Entwicklung der Finanzkraft der Länder und Kommunen berichtet und dass die Überwachung der Einhaltung der Schuldenbremse von Bund und Ländern im Stabilitätsrat auf Basis eines einheitlichen Konjunkturbereinigungsverfahrens erfolgt.

Im Gegenzug für die finanziellen Zugeständnisse hat der Bund im Rahmen der sog. B-Liste zusätzliche Kompetenzen sowie Steuerungs- und Kontrollrechte gegenüber den Ländern erreichen können, zum Beispiel im Bereich Kontrollrechte des Bundesrechnungshofes, bei der Verwaltung der Bundesautobahnen oder im Bereich der bundesstaatlichen Steuerverwaltung. Im parlamentarischen Verfahren haben wir uns erfolgreich für die Interessen des Bundes eingesetzt und noch wesentliche Verbesserungen gegenüber dem Regierungsentwurf umgesetzt:

Förderung von Investitionen

Wenn der Bund den Ländern und Kommunen Finanzhilfen für Investitionen nach Art. 104b GG gewährt, soll er in Zukunft mehr Mitwirkungsrechte bei der Programmausgestaltung erhalten. Konkret besteht die Möglichkeit, über die bei der Gewährung von Finanzhilfen vorgesehene Festlegung der Investitionsbereiche und der Arten der zu fördernden Investitionen hinaus im Einvernehmen mit dem betroffenen Land auch Kriterien für die Programmausgestaltung festzulegen.

Unterstützung Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen

Im Grundgesetz wird im neuen Art. 104c GG die verfassungsrechtliche Grundlage dafür geschaffen, dass der Bund finanzschwache Kommunen bei der Sanierung von Schulen unterstützen kann. Das sog. Kooperationsverbot bleibt dabei bestehen. Auf Basis des neuen Art. 104c GG stocken wir den 2015 eingerichteten Kommunalinvestitionsförderungsfonds um weitere 3,5 Mrd. Euro auf. Um einen umfassenden Mittelabfluss sicherzustellen, war uns wichtig, schon jetzt den Programmzeitraum gegenüber dem Regierungsentwurf um zwei Jahre (also bis 2022) zu verlängern, sowie Ersatzbauten und Baumaßnahmen, die der Barrierefreiheit von Schulgebäuden dienen, möglich zu machen. Die konkrete Auswahl der Kommunen und Projekte ist und bleibt Ländersache.

Kontrollrechte des Bundesrechnungshofes (BRH)

Der BRH erhält – wenn Landesaufgaben vom Bund mitfinanziert werden – erweiterte Erhebungsrechte auch außerhalb der Bundesverwaltung (Länder, Kommunen, Private). Darüber hinaus haben Anfechtungsklagen gegen Prüfanordnungen des BRH außerhalb der unmittelbaren Bundesverwaltung künftig keine aufschiebende Wirkung mehr.

Steuerverwaltung

Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern beim Vollzug der Steuergesetze durch die Länder wird aus Effizienzgründen modernisiert. So ist künftig, wenn die Länder fachlichen Weisungen des Bundes widersprechen wollen, eine qualifizierte Mehrheit von mindestens 11 Ländern erforderlich. Um die erweiterten Steuerungsrechte des Bundes abzusichern, wird die bisherige Zusammenarbeit bereits im Rahmen des Begleitgesetzes auf neue Füße gestellt und damit der bisher geltende KONSENS-Vertrag abgelöst.

Digitalisierung

Der Bund richtet ein zentrales Bürgerportal ein, über das auch die Länder und Kommunen ihre Online-Dienstleistungen bereitstellen. Hiermit bringen wir die fällige Digitalisierung von Verwaltungsleistungen in Deutschland voran und werden bundesweit vergleichbare Standards für den Zugang zu öffentlichen Datenpools erreichen. Im Gegensatz zum Regierungsentwurf wurde die Anwendungsbreite erweitert, Zustimmungsvorbehalte des Bundesrates aufgehoben, die Möglichkeit der Registrierung bei verschiedenen Stellen geschaffen und datenschutzrechtliche Vereinfachungen umgesetzt. Ziel ist so viel Bürgernähe wie möglich.

Infrastrukturgesellschaft

Mit der Einführung einer Infrastrukturgesellschaft werden die Bundesautobahnen in unmittelbare Bundesverwaltung übernommen. Es wird weder eine Privatisierung unserer Autobahnen, noch der neuen Infrastrukturgesellschaft geben. Der Bund bleibt grundgesetzlich abgesichert Eigentümer. ÖPP-Projekte auf einzelnen Streckenabschnitten bleiben weiterhin möglich.

Im Rahmen der Kompromissfindung mit der SPD haben wir uns darauf verständigt, einen Ausschluss von sog. „Netz-ÖPP“ im Grundgesetz festzuschreiben. Zudem gehen wir die dringend erforderliche Modernisierung der Auftragsverwaltung an. Bestehende Reibungsverluste zwischen Bundes- und Länderzuständigkeiten werden abgebaut, um bundesweit ein einheitlich hohes Qualitätsniveau unseres Autobahnnetzes sicherzustellen. Dem trägt die angestrebte GmbH-Lösung mit maximal zehn Tochtergesellschaften Rechnung. Darüber hinaus schaffen wir mit weitreichenden Arbeitsplatzsicherungen und Klarstellungen Verlässlichkeit für die Beschäftigten.

Unterhaltsvorschuss

Um die Situation Alleinerziehender weiter zu verbessern, wird mit Wirkung zum 1. Juli 2017 beim Unterhaltsvorschuss die bisherige Begrenzung der Bezugszeit auf sechs Jahre aufgehoben und die Altersgrenze von 12 auf 18 Jahre erhöht. Für Kinder zwischen 12 und 18 Jahren besteht, sofern ein barunterhaltspflichtiger Elternteil säumig ist, ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, wenn das Kind nicht auf SGB II-Leistungen angewiesen ist oder wenn der/die Alleinerziehende im SGB II-Bezug ein eigenes Bruttoeinkommen von mindestens 600 Euro erzielt.