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Gehören Kinderrechte ins Grundgesetz?

Die vom Koalitionsausschuss am 25. August 2020 beauftragte Arbeitsgruppe aus Union und SPD hat sich auf die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz verständigt. Dazu erklärt der Zwickauer Bundestagsabgeordnete Carsten Körber:

"Natürlich kann ich die Argumente der Befürworter für eine Änderung des Grundgesetzes nachvollziehen. Dennoch muss auch nach reiflicher Überlegung und Abwägung feststellen, dass nach wie vorher erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese geplante Änderung sprechen. Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich noch nicht davon überzeugt, dass ich dieser Änderung des Grundgesetzes vorbehaltlos zustimmen kann.

Klar ist zunächst: Aus rechtlichen Gründen hätte es keiner Neuregelung bedurft. Schließlich sind Kinder schon nach geltendem Verfassungsrecht Grundrechtsträger – von Anfang an, wie alle Menschen. Sie sind über Artikel 1 des Grundgesetzes, die Menschenwürde, schon jetzt geschützt und haben an allen Grundrechten schon jetzt Anteil, auch wenn sie je nach Alter noch nicht alle selbständig ausüben können. Sie haben zum anderen ebenfalls schon jetzt über Artikel 103 Absatz 1 Grundgesetz Anspruch auf rechtliches Gehör. Unsere Verfassung schützt die körperliche Unversehrtheit sowie die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Kinder. Glauben und Gewissen werden geschützt, weshalb Kinder ab dem zwölften Lebensjahr selbst entscheiden dürfen, welcher Religion sie angehören wollen. Vor allem aber regelt Artikel 6 Grundgesetz, dass Eltern ihren Kindern zu Pflege und Erziehung verpflichtet sind. Umgekehrt heißt dies nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Kinder können von ihren Eltern eine Pflege und Erziehung verlangen, die diesen Namen auch verdient: eine Erziehung ohne Gewalt, eine Erziehung, die die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigt.

Der Mittelpunkt aller unserer Überlegungen war von Anfang an die uneingeschränkte Geltung des Rechts der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder, das vor allem ein Abwehrrecht gegenüber staatlicher Bevormundung und Einmischung beinhaltet. Die Familie als Keimzelle unserer Gesellschaft ist die zuständige Einheit für die Erziehung der Kinder. Es sind die Eltern, die die Verantwortung bei der Erziehungsarbeit tragen. Der Staat tritt hingegen mit seinem Wächteramt erst auf den Plan, wenn Eltern ihre Pflichten nicht mehr wahrnehmen und die Kinder vernachlässigen.

Es war deshalb von vorneherein unser Ziel, dieses sorgsam austarierte Dreiecksverhältnis von Eltern, Kind und Staat unverändert zu bewahren. Aber trotz des aktuellen Kompromissvorschlages gibt es auch innerhalb meiner CDU/CSU-Fraktion erhebliche Unstimmigkeiten dazu, so auch bei mir.

Bereits im Dezember des Jahres 2019 habe ich mich klar gegen eine Übernahme von Kinderrechten ins Grundgesetz ausgesprochen. Das können Sie auch hier auf meiner Homepage nachlesen: https://www.carsten-koerber.de/aktuelles/2019/bei-kinderrechten-besteht-keine-verfassungsrechtliche-luecke

Als Union treten wir für eine kindgerechte Gesellschaft ein, aber diese lässt sich nur im Zusammenspiel mit und in den Familien erreichen. Deshalb ist aus meiner Sicht eine solche Regelung überflüssig, da Kinder, wie eingangs erwähnt, bereits Grundrechtsträger sind und eine Zusammenarbeit mit den Eltern vorzuziehen ist.

Sie sehen also, ich neige momentan nicht dazu, dieser Änderung unseres Grundgesetzes vorbehaltlos zuzustimmen. Über die weiteren Verhandlungen und das Abstimmungsverfahren werde ich natürlich auch weiterhin informieren."

Foto: Bild von skalekar1992 auf Pixabay