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In Sachsen spricht man Klartext: Keine Gendersternchen an unseren Schulen!

In Sachsen spricht man Klartext: Kein Einsatz von Gendersternchen, Doppelpunkten oder Unterstrichen an sächsischen Schulen.

Ein Beitrag von Carsten Körber

Ein entsprechendes Empfehlungsschreiben des Kultusministeriums ging zu Beginn des neuen Schuljahrs an die Schulleitungen im Freistaat. Richtig so! Das Kultusministerium hat absolut Recht, wenn es schreibt, dass diese Sonderzeichen weder die Kriterien für eine gendergerechte Schreibung erfüllen, noch sie den aktuellen Festlegungen des Amtlichen Regelwerks entsprächen. Dieses Genderwirrwarr durch eine angeblich politisch korrekte Sprache bringt uns alle nicht weiter, schlimmer noch, es grenzt Menschen aus.

Statt der Sonderzeichen empfiehlt das Ministerium die Verwendung von Paarformen wie "Schülerinnen und Schüler" oder geschlechtsneutrale Formulierungen wie etwa Lehrkräfte. Ziel ist laut Ministerium eine gendergerechte und verständliche Sprache. Dem kann man nur zustimmen. Mit der Regelung soll vor allem Klarheit geschaffen werden.

Keine Frage – das Thema polarisiert! In meiner Arbeit als Bundestagsabgeordneter wechsle ich regelmäßig die Perspektive: Vom Berliner Großstadtdschungel zum ländlichen Kleinstadtrummel. Dabei fällt mir leider zunehmend ein immer größer werdendes – kulturelles – Gefälle auf.

Ich sehe die Gefahr, dass sich unser Land in urbane und ländliche Räume spaltet und mehr und mehr auseinander bewegt. Die großen Meinungsmacher und Medienmenschen sind überwiegend urban sozialisiert und leben in den Ballungsräumen Berlin, Hamburg, Köln oder München. Die Lebenswirklichkeit in Deutschland ist aber meist eine andere, eine ländlichere, wie bei uns im Landkreis Zwickau. Das drückt sich auch in der Sprache aus, ist Sprache doch die Manifestation des Denkens. Und dabei muss ich zunehmend feststellen, dass die veröffentlichte Meinung in den Medien längst nicht mehr der öffentlichen Meinung entspricht.

Dabei geht es längst nicht mehr nur um Gendersternchen oder Binnen-I. Selbsternannte Sprachreformer und unerbittliche Meinungswächter schwingen öffentlich die Keule der Verachtung, wenn die Geschlechterbezeichnungen nicht absolut ausdifferenziert werden. Die Advokaten des Gendersternchens wollen keinen Ausgleich. Sie wollen Macht. Eine politisch links zu verortende Sprachpolizei ist panisch bemüht, mittels neuer „korrekter“ Sprache jegliche Form der Diskriminierung und Ausgrenzung zu vermeiden. So unterzieht sich beispielsweise einer „Geschlechtsangleichung“, wer bei der Geburt „männlich eingeordnet“ wurde. Die „diversity-sensible Sprache“ kennt selbst Menschen „mit internationaler Erfahrung“ – völlig klar, dass es dabei um Migranten geht. Ein besonders skurriles Beispiel liefert die Berliner Verwaltung unter der rot-rot-grünen Landesregierung mit ihrem Leitfaden zum „diversity-sensiblen Sprachgebrauch“. Aus Angst vermeintlich postkolonialistische Stereotype zu bedienen, wird hier das Schwarzfahren in der S-Bahn zum „Fahren ohne gültigen Fahrschein”.

Und auch unsere Sprache in Wort und Schrift leidet unter den verrücktesten Auswüchsen des Genderns, wenn wir von der BäckerInneninnung sprechen oder selbst Anglizismen wie Speaker*innen mit typisch deutschem Perfektionismus vermeintlich zu verbessern suchen. Und was schon beim Lesen seltsam wirkt, führt beim Sprechen zwangsläufig zu Zungenbrechern und merkwürdigen Blicken beim Gesprächspartner. Denn auch ein Gender-Sternchen kann man nicht sprechen. Entsprechende Versuche, derartige, politisch korrekte Orthografie-„Verschlimmbesserungen“ in der Betonung mittels Sprechpausen mitten im Wort kenntlich zu machen, sind zunehmend bei eifrig bemühten Kommentatoren in ARD und ZDF zu beobachten – und sorgen beim Autor regelmäßig für Kopfschütteln oder Zweifel am gesunden Menschenverstand. Und deshalb ist es nun in Mode, alle Geschlechter sprachlich abbilden zu wollen.

Aber das ist ein Trugschluss! Denn Grammatik darf nicht mit Biologie verwechselt werden. Die strengen und absoluten Verfechter der neuen, vermeintlich korrekten Sprache meinen, dass Sprache Wirklichkeit formt – deshalb der ganze Aufriss. Neusprech aus George Orwells 1984 lässt grüßen. Aber gerade das Gegenteil ist der Fall. Nur eine Veränderung der Wirklichkeit hat bisher die Sprache beeinflusst und wird auch in Zukunft die Gleichberechtigung weiter vorantreiben. Das Verordnen korrekter Sprache „von oben herab“ hat noch nie funktioniert. Deshalb darf die geflügelte Jahresendfigur zum Glück auch wieder Weihnachtsengel heißen.

Wenn jemand „zum Arzt muss“, oder man sich „beim Italiener trifft“ entstehen Bilder im Kopf. Ebenso, wenn „60 Millionen Bürger zur Bundestagswahl aufgerufen“ sind. Jeder assoziiert verschiedene Dinge mit diesen kürzeren oder längeren Wortgruppen. Aber das Bild im Kopf entsteht nicht durch das grammatische Genus, sondern durch die verschiedenen Lebenswirklichkeiten, Weltbilder und Erfahrungen des Zuhörers oder Lesers. Und auch der Kontext spielt eine maßgebliche Rolle, wie man bei der Verabredung zum Abendessen gut erkennen kann.

So gibt es bis heute keine ernstzunehmenden Studien darüber, die auf empirisch-wissenschaftlicher Basis belegen konnten, dass man mit allein männlichen Berufsbezeichnungen auch wirklich nur männliche Lehrer, Kraftfahrer, Steuerfachangestellte oder Erzieher assoziiert. Die Pluralformen des generischen Maskulinums werden von der überwiegenden Mehrheit richtig verstanden. Es ist weder zielführend noch notwendig, jegliche geschlechtliche Identität in der Sprache abzubilden. Aber dennoch gab es in Deutschland Ende 2019 über 60 Studiengänge für Genderstudies mit rund 230 entsprechende Professuren. Gleichzeitig aber gab es nur beispielsweise 44 Studiengänge für Biochemie. Deutschland, das Land der Erfinder und Entdecker?

Wir müssen nicht unsere Sprache umformen, sondern wir müssen die Wirklichkeit verändern, um zu echter Gleichberechtigung zu kommen. Je mehr Frauen wir für technische Berufe begeistern können oder je mehr weibliche Piloten in Filmen und Serien zu sehen sind, desto eher denken wir bei den entsprechenden Berufen auch daran, dass nicht nur Männer dieser oder jener Tätigkeit nachgehen. Aber das alleinige Herumdoktern an unserer Sprache allerdings wird keinen sozialen Missstand ausgleichen oder Vorurteile verdrängen. Das sind Scheindebatten auf Nebenkriegsschauplätzen, die von der politischen Linken regelmäßig ja auch dazu genutzt werden, um eigenes Klientel mit Forschungsaufträgen, Jobs und öffentlichen Fördermitteln zu versorgen.

Binnen-I und Gendersternchen kann man nun also für gut oder komisch halten. Aber diese Debatte birgt auch eine Gefahr. Denn bei der Verformung der Sprache geht es vor allem auch um Macht. Die wahre Intoleranz der selbstberufenen Toleranzwächter zeigt sich vor allem bei der der politischen Großstadtlinken. So plädiert die neue Integrationsbeauftragte in Berlin-Kreuzberg, man solle nicht allzu kritisch gegenüber Kopftuchträgerinnen sein. Die Intoleranz im Islam, die manifestierte Unterdrückung der Frau, wird stärker toleriert, als die kritische Auseinandersetzung mit dem Islam an sich. Ebenso kritisiert die Berliner Linke das dringend erforderliche Vorgehen der Polizei gegen Clankriminalität. Bei entsprechenden Großfamilien aus dem arabischen Raum gehörten die Ablehnung staatlicher Autoritäten und ein besonderes Verhältnis zu Recht und Eigentum eben zu deren Kultur. Solch eine falsch verstandene Toleranz lehne ich allerdings ab. Wir brauchen hier wieder Maß und Mitte! Und die unbedingte Beachtung unseres Rechtsstaates.

Bei diesem Genderwirrwarr kommt niemand mehr mit. Diese Sprachungeheuer haben sich Spezialisten ausgedacht und der einfache Bürger weiß überhaupt gar nicht mehr, wie man formuliert, ohne anzuecken. Mit diesen Methoden kann auch politische Teilhabe eingeschränkt werden. In den ersten Städten gibt es Initiativen, dass sämtliche Anträge an die Kommunalparlamente geschlechterneutral formuliert sein müssen. Ein wichtiges Anliegen kann dann aus Formgründen abgelehnt werden, weil niemand mehr weiß, wie man sich vermeintlich diskriminierungsfrei äußern soll. Wenn überall Fallstricke lauern, wird der demokratische Diskurs eingedämmt. Das aber kann keinesfalls unser Ziel sein.

Einen weiteren Aspekt gilt es noch zu ergänzen: Die vermeintlich diskriminierungsfreie Sprache ist alles andere als frei von Diskriminierung. Denn das Genderwirrwarr hemmt nicht nur den Lese- und Verständnisfluss, sondern schließt auch größere Gruppen aus. Selbst halbwegs begabte Durchschnittsleser verstolpern sich regelmäßig in der neuen bunten, gendergerechten Sprachenwelt. Aber das Verstehen von Texten wird so für Menschen mit Lese-Rechtschreib-Schwäche, Nichtmuttersprachler und Menschen mit z.B. Hör- oder geistigen Behinderungen geradezu unmöglich gemacht. Das ist Diskriminierung in Reinform, die ich entschieden ablehne. Statistiken belegen, dass so in unserem Land mehreren Millionen Menschen die gesellschaftliche, kulturelle und politische Teilnahme erschwert wird. Zugleich aber bewegt sich die Zahl derjenigen, die sich selbst als divers oder non-binär begreifen und denen die selbsternannten Vorkämpfer gegen Geschlechterdiskriminierung etwas Gutes tun wollen, im kaum messbaren Bereich. Das ist nicht meine Form von Gerechtigkeit. Das lehne ich ab.