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Deutscher Entwicklungszusammenarbeit fehlt strategische Führung

Das Thema Ukrainekrieg mit all seinen dramatischen Auswirkungen zieht sich durch sämtliche Haushaltsdebatten. Das muss natürlich auch für den Etat des hier in besonderer Weise betroffenen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gelten (BMZ). In den aktuell laufenden Haushaltsberatung sprach der Zwickauer Bundestagsabgeordnete Carsten Körber dazu als zuständiger Berichterstatter des Haushaltsausschusses am Mittwochabend, dem 7. September 2022, im Plenum des Deutschen Bundestages:

„Die Auswirkungen der russischen Aggression zeigen sich nicht nur in der Ukraine selbst, sie zeigen sich auch in Afrika, welches durch eine schreckliche Hungerkatastrophe bedroht wird. Aber auch bei uns macht sich der Krieg mit Inflation und massiven Preissteigerungen bemerkbar. Was bedeutet das für den Haushalt? Die Spielräume werden enger, deutlich enger. Sparen ist das Gebot der Stunde.

Das weiß man auch im Bundesfinanzministerium. Der Haushaltsentwurf 2023 sinkt im Vergleich zu 2022 um rund 10 Prozent ab. Das muss er auch, um die Schuldenbremse nach drei Jahren wieder einzuhalten - was wir von der Union ausdrücklich begrüßen.

Auf den ersten Blick sinkt der BMZ-Etat in gleicher Höhe. Nimmt man aber die eine Milliarde aus dem Ergänzungshaushalt hinzu, sinkt der BMZ-Etat um deutliche 17 Prozent. Und dann sieht man auch, welchen Stellenwert das BMZ innerhalb der Bundesregierung genießt. Unter Gerd Müller hingegen gab es eine stetige und verlässliche Entwicklung dieses Einzelplans. Auch unter Unionsführung war das BMZ nie ein ganz einfaches Haus.

Entwicklungsministerin Svenja Schulze ist zu Jahresbeginn mit einem Leitungsteam in Kompaniestärke ins BMZ eingerückt. Angekommen ist sie in ihrem Haus aber nicht. Das zeigt auch die nicht erkennbare Strategie dieses Einzelplans.

Nur ein Beispiel: Inhaltlich haben wir von der Ministerin bisher wenig gehört. Aber dass ihr die feministische Entwicklungszusammenarbeit wichtig ist, das war deutlich zu vernehmen. Im aktuellen Entwurf jedoch sinkt der Ansatz für UN Women massiv von 12 auf 9 Millionen. Die SPD-Ministerin kürzt hier um 25 Prozent. Das verstehe, wer will.

Was mich nach wie vor fragend zurück lässt, ist die Art, mit der das BMZ berechtigte Auskunftsinteressen aus dem Parlament ins Leere laufen lässt. An dieser Stelle ist noch deutlich Luft nach oben, aber keine mehr nach unten. Die Auskünfte des BMZ-Hauses grenzen in ihrer mangelnden Detailschärfe schon an eine Missachtung des Parlaments. Das ist inakzeptabel.

Und das verwundert, denn Öffentlichkeit scheint der SPD-Ministerin ja wichtig zu sein. Oder wie erklärt man es uns sonst, dass sich die Mittel für Öffentlichkeitsarbeit seit dem Regierungswechsel mehr als verdoppelt haben? Lagen diese unter ihrem Amtsvorgänger 2021 noch bei 615.000 Euro, stiegen sie im laufenden Jahr auf stolze 1,2 Millionen. Für nächstes Jahr möchte Ministerin Schulze sogar 1,4 Millionen haben. Und das bei einem Etat, der um 17 Prozent sinkt. Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich.

Das ist für sich genommen schon genug, aber leider noch nicht alles: Wenn man dann aber sehen muss, dass sie die Mittel für das World Food Programm der VN von 70 auf 28 Millionen kürzt, während in Afrika die schlimmste Hungerkatastrophe seit Jahrzehnten zu befürchten ist, dann ist das schon harter Tobak.

Dieser Tage wird immer wieder – gerade auch von der Ampelkoalition – die sogenannte Zeitenwende herausbeschworen. Diese betrifft die Verteidigungspolitik, aber auch viele andere Bereiche. International müssen wir beobachten, dass autoritäre Systeme und totalitäre Politik auf andere Staaten offensichtlich weit attraktiver wirken, als es uns allen lieb sein kann. Das zeigte etwa die Abstimmung zur UN-Resolution gegen den russischen Einmarsch in die Ukraine Anfang März. 38 Staaten aus Afrika, Asien und Lateinamerika enthielten sich und waren somit nicht bereit, diese Aggression Russlands zu verurteilen. Viele dieser Staaten sind Empfänger deutscher Entwicklungszusammenarbeitsmittel.

Wie wir damit umgehen, diese Debatte sollten wir führen. Ohne Denkverbote."