„Der Ampel droht ein unruhiger Sommer“ – Kabinett beschließt Haushaltsentwurf 2024

Carsten Koerber

Nach wochenlangem Streit hat die linksgelbe Ampelkoalition kurz vor knapp endlich ihren Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2024 und Finanzplan des Bundes bis 2027 beschlossen.

Mittlerweile hat man sich daran gewöhnt, dass die Ampel es jedes Mal schafft, hinter den von ihr selbst geweckten Erwartungen zurückzubleiben. Der vorliegende Gesetzentwurf ist mehr „Schein als Sein“. Haushaltslöcher werden zu Lasten künftiger Jahre kurzfristig gestopft. Von einer klaren Prioritätensetzung oder gar Reformwillen fehlt jede Spur. Das zeigt sich auch an der Ankündigung, die erfolgreiche familienpolitische Leistung „Elterngeld“ einzudampfen.

Die wochenlang öffentlich heftig durch die Ampel diskutierten Einsparungen erreichen über alle Ressorts – mit Ausnahme des Bundesverteidigungsministeriums – gerade einmal ein Volumen von 3,5 Mrd. Euro und damit nicht einmal 1 % des Haushaltsvolumens. Die Ampel hat kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem. Doch statt dieses gezielt anzugehen, laviert sie sich auf Kosten der Steuerzahler durch. Mit einem Streit um geringe Sparbeträge und inhaltsleeren Ankündigungen eines Subventionsabbaus macht die Ampel sich unglaubwürdig.

Inwieweit sich die Versprechungen der Ampel wie die Erreichung des 2 %-NATO-Ziels mit diesem Haushalt und der damit zusammenhängenden Finanzplanung tatsächlich erreichen lassen, ist völlig offen. Eine echte und notwendige Neuausrichtung des Haushalts unter dem Leitmotiv „Zeitenwende“ ist jedenfalls nicht zu erkennen.

Dieser Entwurf ist bestenfalls auf „Kante genäht“: Die nach der Schuldenbremse erlaubte Nettokreditaufnahme 2024 wird nämlich vollständig ausgereizt und das, obwohl der Bund Rekordsteuereinnahmen verzeichnet. Wer so handelt, kann mit Geld offenkundig nicht umgehen. Die Koalition hat keine Ausgabendisziplin und keinen Konsolidierungsehrgeiz. Es fehlt ein haushaltspolitischer Grundkonsens, wonach man nicht mehr ausgeben kann als man einnimmt. Diese Art der Haushaltspolitik ist zukunftsvergessend, generationenfeindlich und ohne jede fiskalische Nachhaltigkeit. Die strukturellen Probleme im Haushalt werden weiterhin nicht angegangen und wieder einmal auf den St. Nimmerleinstag geschoben.

Zusätzliche finanzielle Spielräume für die Wünsche der Ampel-Koalition sollen zu Lasten künftiger Haushaltsjahre und Generationen durch die Auflösung des Sondervermögens „Digitale Infrastruktur“ oder Kürzungen beim Elterngeld realisiert werden. Die geringeren Zuschüsse für die Gesetzliche Krankenversicherung, die Gesetzliche Pflegeversicherung und die Gesetzliche Rentenversicherung („zusätzlicher Bundeszuschuss“) werden wohl zu Beitragserhöhungen für die Versicherten führen. Ebenso unwahrscheinlich ist, dass das 2 %-NATO-Ziel erreicht werden wird. Die Ankündigung des Bundeskanzlers in seiner „Zeitenwende-Rede“ vom 27. Februar 2022, ab sofort 2 % für Verteidigung auszugeben und zusätzlich ein Sondervermögen für die Bundeswehr einzurichten, wird von der Realität des Bundeshaushalts aufgekündigt. Von der im Koalitionsvertrag angekündigten Übernahme höherer Krankenversicherungskosten für Bürgergeldbezieher fehlt jede Spur. Für das Projekt „Kindergrundsicherung“ werden im BHH 2024 lediglich Mittel in Höhe von 100 Mio. Euro für Digitalisierung und ab 2025 eine jährliche Vorsorge von 2 Mrd. Euro eingestellt.

Trotz der Ankündigung, dass alle Ausgaben auf den Prüfstand gestellt und klare Prioritäten gesetzt wurden, ist der BHH wenig ambitioniert. Auch die Ankündigung eines Subventionsabbaus wird lediglich abstrakt erwähnt, konkrete Maßnahmen sind nicht vorgesehen. Letztlich zeigen die vorliegenden Haushaltsplanungen angesichts der Rekordsteuereinnahmen klar, dass der deutsche Fiskus kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem hat.

Die Einnahmen und Ausgaben des BHH 2024 summieren sich jeweils auf 445,7 Mrd. Euro, wobei eine Nettokreditaufnahme von knapp 16,6 Mrd. Euro vorgesehen ist. Damit wird die zulässige Schuldenobergrenze vollständig ausgeschöpft. Haushaltsentlastend wirken 2024 Einnahmeverschiebungen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität und zusätzliche Mittel aus dem Programm REPowerEU. Die Entnahme aus der Rücklage sinkt auf 1,4 Mrd. Euro statt der ursprünglich geplanten 7,7 Mrd. Euro. Der Rest in Höhe von 6,4 Mrd. Euro wird nun für 2025 eingeplant.

Größter Ausgabenblock 2024 ist und bleibt der Bundeszuschuss zur Gesetzlichen Rentenversicherung mit 117,2 Mrd. Euro. Überhaupt ist der disponible Spielraum gering. Die Investitionen belaufen sich 2024 auf 54,2 Mrd. Euro. Zum Vergleich dieser Größenordnung: Die Zinsausgaben 2024 werden mit 36,8 Mrd. Euro ausgewiesen! Der „Sparbetrag“ 2024 und 2025 soll sich jeweils auf 3,5 Mrd. Euro belaufen. Nach Angaben der Ampel soll 2024 erstmals die zugesagten 2 %-NATO-Quote erreicht werden. Hierzu soll vor allem der Verteidigungsetat bei 51,8 Mrd. Euro liegen und rund 19,2 Mrd. Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr in Anspruch genommen werden.

Zur Umsetzung der mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf einhergehenden gesetzlichen Änderungen, wozu auch die Kürzungen beim Elterngeld zählen, soll bis zum 16. August 2023 im Kabinett der Entwurf eines Haushaltsfinanzierungsgesetzes beschlossen werden.

Über den Finanzplan bis 2027 (Fpl. bis 2027) steigen Einnahmen und Ausgaben auf 467,2 Mrd. Euro. Die Nettokreditaufnahme liegt in den Jahren 2025-2027 zwischen 16 und 15 Mrd. Euro. Darüber hinaus bleibt für die Jahre 2025-2027 ein Handlungsbedarf von 14,4 Mrd. Euro (2025: 5,2 Mrd. Euro, 2026: 4,4 Mrd. Euro und 2027: 4,8 Mrd. Euro).

Bis 2027 soll der Anteil der Sozialausgaben im Bundeshaushalt auf über 52 % steigen.